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2010 - DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ

DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ -ZÜRITIPP

EINREISEGESUCH AUS DEM ALL

Thema Heimat, einmal anders: Die Formation Trainingslager und Autor Jens Nielsen lassen ein Raumschiff über Bern niederkommen. Aber wie das halt so ist - in unserem Land ist Ausreisen für Fremde einfacher als Einreisen.

Wir schreiben das Jahr 2231. Die Stimmung im Raumschiff Bümpliz ist mässig bis gereizt. Prinzessin Droo vom Planeten Lanka fasst zusammen: «Wir haben wie sagt man / Die Not in vielerlei Hinsicht / Der Apothekenautomat ist leer / Die Besatzung hat den Weltallkoller / Wir nerven/ Einige sind schwer gestört / Der Professor hat den Ausschlag.» Und damit nicht genug: Commander Streuli, der einzige Schweizer an Bord und Kapitän der Bümpliz, leidet an lebensbedrohlicher Erstarrung. Während die vierköpfige Besatzung ihn mit extraterrestrischen Gesängen «aufzuweichen» versucht, nimmt das Raumschiff Kurs auf die Erde. Der Heimat-Weltraumbahnhof Bern-Belp ist angefragt. Doch die Antwort kommt nicht von der Erde: Wider Erwarten meldet sich ein Raumschiff nebenan und klingt irgendwie gestrig: «This is the USS Endeavour, identify yourself.» Die Bümpliz scheint in ein Zeitloch gefallen zu sein.

Es ist das Jahr 2010 und die Erde nicht vorbereitet auf Besuch. Auch die Lankianerin Loo steht der Ankunft in der Schweiz kritisch gegenüber: «Diese Vereinigten Schwizer von Europa haben einfach keinen Stil / Schon an der Topografie kann man das zeigen / diese Elpen . . . Das halbe Land ein Haufen Felsen / Und die mögen das . . .»

Man ist sich treu geblieben

«2010 - Die Rückkehr der Bümpliz» spielt mit der Angst vor dem Fremden und der Neugier auf das Fremde. Das bezieht sich auf den multiplanetaren Mikrokosmos im Raumschiff ebenso wie auf die Reaktion der Erde auf das Einreisegesuch aus dem All. Religiöse Führer geraten ausser Kontrolle, und für die irdischen Machthaber gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Dass Fremde gern mal Scherereien machen, hat die Erfahrung gezeigt.

Ein brisantes, hochaktuelles Thema also. Die Umsetzung gelingt ohne jede Schwerfälligkeit, weil der Erfinder dieser Geschichte Jens Nielsen heisst. Der Dramatiker hat die Thematik in Heimat-Science-Fiction verpackt und dort mit schrägem Humor und mitunter verstörender Absurdität gepaart. Es ist dieser spezielle Grat zwischen Komik und Tragik, der Nielsens Stücke ausmacht und auf dem auch die Regisseurin Antje Thoms gerne wandelt. Mit der von ihr und Schauspieler Dominique Müller 2006 gegründeten Formation Trainigslager brachte sie vor drei Jahren erstmals ein Jens-Nielsen-Stück («Endidyll») auf die Bühne. Seit da ist man sich allerseits treu geblieben und setzt auf enge Zusammenarbeit auch im Fall «Bümpliz», dem ersten Teil eines geplanten Quartetts zum Thema «Heimat».

Alles andere als «sön»

An Bord der Bümpliz, die bei Beni Küng (Bühne) eher an ein verspiegeltes Tram erinnert als an ein Raumschiff, harrt man also der Landeerlaubnis. Doch das Warten stürzt die Besatzung immer tiefer in die Krise. Prinzessin Droo (Vivianne Mösli mit weissen Kontaktlinsen und in ebensolchem Freizeitdress) wettert gegen Pflanzen, Schweizer und «Zyklopendödel». Musikingenieur De Spindel (Roland Bonjour) motzt sich seinen Weltraumfrust von der Seele. Droos und Streulis Sohn Tilsiter gesteht seiner Mutter eine geplante Augenentfernung und eine Liebes-Konvertierung zu den Zyklopen, und der Nasa-Abwart Martin Hindelbank (Ingo Ospelt) näselt in anglophilem Schweizerdeutsch Binsenweisheiten vor sich her. Einzig die Pflanze Cura (Sarah Hostetter), ein naiv plauderndes Gewächs vom Botanischen System mit rotem Kleid und Blumentopf an den Füssen, versucht vergebens, für «söne» Stimmung zu sorgen. Bis zum überraschenden Ende.

Isabel Hemmel, züritipp, 13. Mai 2010

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DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ -NZZ

AUSSERIRDISCHER GLANZ

Jens Nielsens Stück «2010 - Die Rückkehr der Bümpliz» im Theater Winkelwiese. Um Heimkehr geht es in Jens Nielsens neuem Stück "2010 - Die Rückkehr der Bümpliz. Ein Raumschiff, das nach dreissig Jahren Mission in ein Zeitloch fällt, findet sich statt 2231 im Jahre 2010 im Anflug auf die Erde wieder.

Man traut seinen Augen kaum. So ein Gleissen hätte man an diesem Ort nicht für möglich gehalten. Das Theater Winkelwiese, sonst dem meist spartanisch ausgestatteten Texttheater verpflichtet, sieht seine Kellerbühne in das Innere eines Raumschiffs verwandelt, das, ganz mit spiegelnder Folie ausgekleidet, futuristisch blitzt und funkelt. Doch wenn man genauer hinschaut, ist das Glitzer-UFO doch nicht viel mehr als ein Weltraum-Tram mit Haltegriffen, an denen die Astronauten baumeln wie erschöpfte Feierabendheimkehrer.

Heimkehr aus der Zukunft

Und um Heimkehr geht es in der Tat in Jens Nielsens neuem Stück «2010 – Die Rückkehr der <Bümpliz>». Die «Bümpliz» ist ein Forschungsschiff der Vereinigten Schwizer Staaten von Europa GmbH, das nach dreissig Jahren Mission auf der Suche nach bewohnten Planeten in ein Zeitloch fällt und sich statt im Jahre 2231 im Jahre 2010 im Anflug auf die heimatliche Erde wiederfindet. Die Besatzung muss, nach Kontaktnahme mit einem Space-Shuttle-Piloten namens Hindelbank, erkennen, dass ihr Schiff als Bedrohung empfunden wird und keine Landeerlaubnis erhält. Und das, obwohl Streuli, der Commander, in «Verstarrung» gefallen ist und dringend Medikamentennachschub brauchte.

Nielsens Stück, geschrieben für die Theaterformation Trainingslager, ist als erster Teil einer Tetralogie zum Thema «Heimat» angelegt, bei der verschiedene Filmgenres die formale Folie abgeben. Wenn es über den Umweg in die Zukunft auf gegenwärtige Verhältnisse zielen sollte, ist das durch ein trashiges Spiel mit den Konventionen des Genres gut getarnt.

Die von Beni Küng auf der Bühne installierte «Bümpliz», schon durch ihren Vorortsnamen diskreditiert, birgt eine aus schrillen Typen zusammengesetzte Besatzung. Im Wesentlichen besteht sie aus der Familie des Commander (Hansruedi Twerenbold, Vivianne Mösli, Dominique Müller), die mit dynastischen Problemen beschäftigt ist und etwa so wehrhaft wirkt wie die Mannschaft in Michael Herbigs Filmparodie «(T)Raumschiff Surprise». Die Regisseurin Antje Thoms reizt das Spielmaterial mit seiner weiten Palette von sprachspielerischen und musikalischen Gags da und dort bis zum Ulk aus.

Innerfamiliäre Entfremdung

Das scheint der Vorlage zwar angemessen, doch akzentuiert es auch ihre grundlegende Schwäche: Es fehlt ein Draussen und Gegenüber, das zu einer wirklichen Reibung zwischen Heimat und Fremde führen könnte. Ingo Ospelts Offizier Hindelbank, der doch dafür zuständig wäre, wirkt zunehmend wie ein zwischen den Welten sich verlierender Bote. So bleibt es bei den selbstzerstörerischen Prozessen einer innerfamiliären Entfremdung mit dem epileptischen Bordwissenschafter de Spindel (Roland Bonjour) als Katalysator und der sprechenden Souvenir-Pflanze Cura (Sarah Hostettler) als blumiger Erzählerin. Das geht nicht ohne einige dramaturgische Bocksprünge ab – doch als Gegenpol zu vielen ernsten Inszenierungen in diesem Theater mag man diese hemmungslos verspielte Sci-Fi-Burleske mit ihrem fast ausserirdischen Glanz gerne gelten lassen.

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DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ -TAGES-ANZEIGER

IN SCIENCE-FICTION PARODIE VERPACKTE FREMDENANGST

Zürich Theater an der Winkelwiese - Das ist was fürs Auge: Ärztekittel leuchten blendaxweiss In der Dunkelheit, mysteriös blinken bunte Lämpchen, schaurig strahlen grüne Kontaktlinsen wie im «Dorf der Verdammten»; dann geht das Licht an. Und statt der Bühne taucht eine Art überdimensionale Konservendose auf, spiegelndes Blech mit
Haltestangen wie im Tram. Beni Küng hatte einen Riesenspass als er das Raumschiff Bümpliz bastelte, das ist unübersehbar.

Unüberhörbar ist, dass Jens Nielsen bei seinem neuen Stück «2010 - Die Rückkehr der Bümpliz» gleichfalls grosse Lust auf Jux und Tollerei verspürte. Seine im Theater an der Winkelwiese uraufgeführte Parabel auf die helvetische Fremdenangst hat er in eine trashige Science Fiction Parodie gepackt. An Bord brüten eine pupsende, liebestolle Pflanze (Sarah Hostettler), ein irrer Professor (Roland Bonjour), eine Prinzessin von einem fremden Stern (Vivianne Mösli) und ihr halb menschlicher Sohn (Dominique Müller) vor sich hin. Denn sein Vater, der geliebte Kapitän - er stammt aus der Schweiz und heisst Streuli -, hat den ;Verstand verloren er sitzt nur noch im Eck und grölt vor sich hin (Hansruedi Twerenbold). Die Medikamente sind alle, Streulis Tod steht bevor und die Crew will unbedingt landen, egal wo.

Doch in der Schweiz aus dem Jahr 2010 ist das Gefährt aus dem Jahr 2201 samt seinen seltsamen Bewohnern nicht willkommen. Der Botschafter der Erde, Oberst Hindelbank (Ingo Ospelt) berichtet von Bürgerwehren und Chaos, von Massenflucht und Militäreinsätzen. An Bord selbst wird gekotzt und gesungen, gebrüllt und gewitzelt. Die junge freie Formation Trainingslager hat, unter Antje Thoms Regie, jede
Schrägheit dieses ersten Teils des Projekts «Quartett Heimat» ausgekostet. Ausgepresst bis wirklich nichts mehr zu holen war. Die Burleske über die Ängste innen (an Bord) und aussen hätte zwar ein gewisses Potenzial; anderthalb Stunden Konservendosen Klamauk aber erfüllen es nicht, trotz mondstaubtrockener Scherze musikalischer Amuse-Oreilles und munterer Science Fiction Zitate fürs Auge.

Alexandra Kedves, Tages-Anzeiger, 17. Mai 2010

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DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ -DRS

Im Jahr 2201 kurvt das Raumschiff Bümpliz durch das Weltall und gerät in ein Zeitloch. An Bord vier Besatzungsmitglieder und eine verliebte Blume. Das neue Theaterstück von Jens Nielsen im Zürcher Theater an der Winkelwiese ist eine Art Science-Fiction-Heimat-Stück, bis 5. Juni.

Hören Sie hier den Beitrag vom DRS1 Regionaljournal:
DRS1 Regionaljournal

DIE RÜCKKEHR DER BÜMPLIZ -P.S.

MIXTUR

Der Dramatiker Jens Nielsen bedient sich für «2010 - Die Rückkehr der Bümpliz» frisch fröhlich aus dem unendlich sonderbaren Personal der ScienceFiction-Geschichte und entwickelt für die neuste «Trainingslager-» Produktion in der Regie von Antje Thoms ein Feuerwerk an absurden Konflikten und überraschend entfachten Herzen.

Bis zum ruckelnden Raumschiff am sichtbaren Faden bei «Flash Gordon» reicht die Compilation der Ausstattung von Beni Kling nicht ganz, dafür erinnert die Kapsel mit den Tramhaltegriffen und den reflektierenden Wänden an die mit Alufolie ausgeschmückte Garagenparty der 1980er Jahre. So wild der Mix an Zeitsprüngen, so verrückt ist auch das Personal, das sich mehrheitlich wie unter Starkstrom verhält, als seien sie die Teletubbies auf Lachgas. Commander Streuli (Hansruedi Twerenbold) ist seit einem missglückten Experiment des Klangforschers (Roland Bonjour) in einer Art Wachkoma, das Schiff also führungslos und jetzt sind sie auch noch durch die Zeit ins Heute gefallen. Mit an Bord sind eine Jauche fressende Topfpflanze im knallroten Dress und Sprachfehler (Sarah Hostettler), der Sohn, den Streuli mit der Prinzessin Dro vom Planeten Lanka (Viviane Mösli) aus Heimweh auf den Namen Tilsiter getauft hat (Dominique Müller), der sich aber entgegen der Gepflogenheiten in eine der das Universum bedrohenden Zyklopinnen verliebt hat. Fehlt noch der Welt(Raum) Polizist von der NASA, Ingo Ospelt als Major Hindelbank, der jedoch bald zu diesem schräg illustren Trüppchen überläuft, weil sich seine Regierung nicht über ein Vorgehen einigen kann. Aus dieser Anlage entwickelt Jens Nielsen ein zu Lachtränen
treibendes urkomisches und komplett sinnfreies Stück in klaustrophobischen Verhältnissen mit Aussicht auf die Unendlichkeit. Wenn das wie von «Trainingslager» angekündigt der Auftakt zu einer Reihe ist, erwarten wir die nächsten Theaterabende mit überschwänglicher Vorfreude.

Thierry Frochaux, P.S., 20. Mai 2010

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