Programm 2003-2015 » Spielpläne der Leitungszeit Stephan Roppel: siehe Rubrik Programm 2003-2015>Produktionen » BLUETSUUGER - EIN VAMPIRSCHWANK
BLUETSUUGER - EIN VAMPIRSCHWANK«Schwank der Vampire»
Etwas bleibt sich gleich: Die Vorstellung dauert, wie fast immer im Theater Winkelwiese, siebzig Minuten ohne Pause. Sonst ist jedoch alles anders als sonst. So wird auf der von historischem Gemäuer umrahmten Bühne, wo es für gewöhnlich eher ernst zu- und hergeht, für einmal ein Schwank gespielt. Ein «Vampirschwank», um es genau zu sagen. «Bluetsuuger» heisst das Theaterstück von Matto Kämpf und Christina Rast, das im Frühling in Bern uraufgeführt wurde und nun in Zürich zu sehen ist.
NZZ/ Anne Suter, 28.10.2011 10.2011.PDF | 25 KBytes «WC-Bürstchen und Käseallergie» Man muss die Dinge beim Namen nennen. Ein Tisch ist ein Tisch, und wir haben einfach zu wenig Platz hier - fürs Pendeln und Grillieren, für Bäume und Tiere, die Lieblingsbeiz ist auch immer voll. Voilà! Es wird jetzt Klartext gesprochen auf der Schlachthaus-Bühne, die da bevölkert ist von Hansruedi (Urschweizer und «Blick»-Leser), seiner Frau Primadonna (italienische Seconda mit Schweizer Pass) und Tochter Erika (studiert Hygienik und engagiert sich für die Integration von Ausländern). Aber zunächst ist nicht die helvetische Enge das Hauptproblem der Familie, sondern ihre stinkende WC-Schüssel. Wer soll sie putzen? Eine Lösung bieten Matto Kämpf (Text) und Christina Rast (Regie) in «Bluetsuuger - ein Vampirschwank» an. Das Stück rund um die Schweizer Kleinfamilie ist am letzten Samstag im Schlachthaus-Theater uraufgeführt worden - die Lösung heisst Drakuslav. Ein Telefon genügt und schon steht der Putzmann aus dem Osten da, bereit zum Schrubben. Hansruedi ist ganz der strenge Patron, die beiden Frauen verfallen dem eigenwilligen Charme des Fremden und leiten sofort Integrationsmassnahmen ein. Die Mutter serviert mitten in der Nacht Raclette mit Knoblauch, die Tochter bettet sich schnell mit einer Schweizer Fahne wedelnd in Dracuslavs Schlaflager. Doch Kreuz und Knolle sind dem Mann ein Graus, denn er ist ganz Vampir und mag vor allem roten Lebenssaft. Aber die integrationswütigen Frauen lassen nicht so schnell locker, spritzig ist ihre Verfolgungsjagd quer über die Schlachthaus-Bühne. Während die Tochter schliesslich interkulturelle Probleme als Grund für den Misserfolg ausmacht, glaubt die Mutter an eine Käseallergie - «Das isch de niente guet per l`integrazione!» Herrlich, wie Kämpf und seine Crew mit Klischees jeglicher Couleur jonglieren. Die mitunter dick aufgetragene Tonspur und die minimalistischen Tanzeinlagen verwandeln die Szenerie mal in eine opulente Musicalbühne, mal in ein zweideutiges Tanzlokal (Bühne: Franziska Rast, Musik: Patrik Zeller). Nicht zuletzt tragen die Protagonisten zum Erfolg des Abends bei. Mathis Künzler als Vater und Diar Xani als Vampir spielen von der ersten bis zur letzten Szene mit Präzision, Humor und Tempo, und auch Grazia Pergoletti und Anja Tobler laufen nach und nach zur Hochform auf. Und man fragt sich, was denn eigentlich die Unterschiede sind zwischen denen, die uns mit Pizza und Co. beglücken, und denen, die östlich von Wien beheimatet sind.
Bund / Pia Strickler, 30.05.11 PDF | 71 KBytes «Vampir kam, sah und saugte» Der Vampirschwank «Bluetsuuger» im Schlachthaus-Theater begeistert mit überdrehtem Witz und politischer Brisanz. Am Ende ist nicht mehr ganz klar, wer der wahre Blutsauger ist: der Gastarbeiter aus Transsilvanien oder doch der Bünzli aus Allschwil. Die Toilette des Füdlibürgers Hansruedi (Mathis Künzler) ist gleichzeitig sein Thron. Von hier aus regiert er über sein kleines Reich, zu dem seine Frau Primadonna (Grazia Pergoletti) und seine Tochter Erika (Anja Tobler) gehören. «Sein» Italiener Giovanni, der ihm jahrelang die Toilette putzte, ist verreist. Und das ist ein schöner «Schissdräck», wie er das Publikum in seinem prägnanten Basler Dialekt wissen lässt. Kurz entschlossen bestellt er eine Arbeitskraft aus dem Osten. Es kommt der Vampir Drakuslav (Diar Xani) aus Transsilvanien angereist und stellt das Leben der Familie gehörig auf den Kopf. Die Zürcher Regisseurin Christina Rast und der Berner Autor Matto Kämpf haben die Idee des Stückes, bei dem es um das Verhältnis zwischen Schweizern und Ausländern geht, gemeinsam entwickelt. Der Vampir dient als perfekte Angstfantasie des Schweizers vor dem Fremden. Er ist sexy, er bringt seine eigene Erde mit, und er hat ungewöhnliche Ernährungsgewohnheiten. Das aktuelle und brisante Thema wird politisch unkorrekt und mit dem für den Schwank – mittelhochdeutsch für «lustiger Einfall» – typischen volksnahen Humor garniert. So sagt Hansruedi etwa: «Mir sind Arschlöcher, ihr sind Arschlöcher, mir sind zersch da gsi.» Musikalisch untermalte Szenen, in denen die Protagonisten aus ihrem Holzhäuschen schiessen und einen Tanz ums Klo aufführen, erinnern an Filme von Benny Hill. Der Charme des Vampirs Tochter Erika verkörpert die bornierte Akademikerin, die postmoderne Hygienik an der Universität Darmstadt studiert, und Primadonna ist eine Italienerin, die – potz Pizza – einen «Passaporta svizzera» hat. Beide erliegen dem Charme des Vampirs – doch seine ersten Attacken schlagen fehl. Die überintegrierte Italienerin verjagt ihn mit ihrem nach Knoblauch stinkenden Raclette, das sie mitten in der Nacht kocht, Erika zückt die Fahne des Roten Kreuzes, um ihm die Schweiz zu erklären, worauf der dieses Symbol Fürchtende die Flucht ergreift. Das sind witzige und gleichzeitig intelligente Einfälle, die Fragen zur Integrationsdebatte aufnehmen. Wie viel müssen Ausländer von der neuen Heimat übernehmen, und wann wird es absurd? Am Ende haben alle mutiert Die Angst der Schweizer wird am Ende bestätigt. Der Vampir hat alle gebissen und sitzt nun selbst auf dem Thron und erteilt die Befehle. Alle haben letztlich mutiert: die soziale Erika zum grünliberalen Zombie, Hansruedi zum chauvinistischen Transsilvanier und der Vampir selbst zum klassischen Schweizer Bünzli. «Nur bei uns ist das Klowasser so sauber, dass man es trinken kann», übernimmt Drakuslav die Worte Hansruedis.
Berner Zeitung, Helen Lagger, 31.05.11 PDF | 3 MBytes «Auch Vampire jassen gern und träumen von einer Gelateria»
Tagesanzeiger/ Simone Meier, 28.10.2011 10.2011.PDF | 25 KBytes |
||