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COUNTRY MUSIC
Spiel:Anna-Katharina Müller
Elisabeth Rolli
Manuel Bürgin
Henrik Zimmermann
Regie:Stephan Roppel
Bühne / Kostüme:Marcella Maichle
Dramaturgie:Fanti Baum
Licht:Michael Omlin
Technik:Stefan Marti
Michael Omlin
Regieassistenz:Nadine Jaberg
Aufführungsrechte:Rowohlt Theater Verlag Hamburg

Freitag, 14. Juli 1983, 02.00 Uhr. Der Parkplatz neben einer Autobahntankstelle: Jamie Carris ist achtzehn Jahre alt. Er sitzt hinter dem Steuer des Ford Cortina, den er am Nachmittag geklaut hat – neben ihm die 15-jährige Lynsey Sergeant. Sie teilen nächtliche Ausbruchphantasien – irgendwo zu zweit leben, ein Haus am Strand, ein guter Job. Neu anfangen. Und später, in ein paar Jahren vielleicht, kann Matty, Jamies kleiner Halbbruder, zu ihnen ziehen. Doch Lynsey kämpft mit Zweifeln: Was ist gestern nachmittag genau passiert? Hat Jamie beim «Organisieren» von Chips und Tequila den Jungen hinter dem Tresen umgebracht? Ist es nicht besser, wenn er sich der Polizei stellt? Elf Jahre später: Der Besuchsraum in einer Haftanstalt. Draussen geht das Leben ohne Jamie weiter. Er verbüsst eine vierzehnjährige Haftstrafe und träumt noch immer von den gemeinsamen Plänen mit Lynsey, mit der er inzwischen eine Tochter hat. Der Welt ausserhalb der Gefängnismauern steht er hilflos gegenüber. Als Matty ihn nach Jahren zum ersten Mal besucht, wird klar, wie gross die Distanz zu seinem früheren Leben geworden ist.

Nach der Haftentlassung: Jamie ist nun 39 Jahre alt und arbeitet als Autolackierer in London. Er will seine Tochter wieder sehen und die spärlichen Erinnerungen mit ihr teilen, sein verpasstes Leben nachholen und anknüpfen an etwas, was vor allem in seinem Kopf existiert. Bei der Wiederbegegnung im Zimmer eines Bed and Breakfast ist Emma 17 Jahre alt und hat, wie einst Jamie und Lynsey, ihr Leben noch vor sich.

Donnerstag 13. Juli 14.30 Uhr: Rückblende. Ein sonniger, schöner Tag. Jamie Carris und Lynsey Sergeant liegen im Gras und schauen in die Wolken. Alles scheint möglich.

Simon Stephens zeichnet in vier eindringlichen, dichten Szenen entscheidende Momente im Leben von Jamie Carris. Die Begegnungen entwickeln sich zu zwischenmenschlichen Zerreissproben und legen die Verwundbarkeit der Figuren offen. Menschen, die ihrer zugewiesenen Realität kaum entfliehen können und für ihre seelischen Nöte nur schwer eine Sprache finden. Jamie Carris’ Biographie ist geprägt von einem Milieu der Jugendkriminalität und beruflichen Perspektivlosigkeit und verweist auf die sich verhärtende prekäre Lebenssituation an den Rändern englischer Industriestädte.

Simon Stephens wurde 1971 in Manchester geboren und lebt in London. 1998 debütierte er mit seinem Stück «Bluebird», welches wie die meisten seiner Stücke am Londoner Royal Court Theatre uraufgeführt wurde. Hier war er 2000 Hausautor, heute zählt er zu den meistgespielten Autoren der Gegenwart. Zu seinen bekanntesten Stücken zählen «Port», «Am Strand der weiten Welt», «Motortown», und «Pornographie». Sein neuestes Stück «Harper Regan» gelangte im August 2008 als Koproduktion zwischen den Salzburger Festspielen und dem Hamburger Schauspielhaus zur deutschsprachigen Erstaufführung. In den Kritikerumfragen von «Theater heute» wurde Simon Stephens 2008 zum dritten Mal in Folge zum besten ausländischen Autor gewählt. «Country Music» wurde 2004 in London uraufgeführt. 2005 folgte die deutschsprachige Erstaufführung in Essen.

Pressestimmen

Stephan Roppel (...) hat das 2004 in London uraufgeführte Stück des mittlerweile hoch gehandelten Autors für die Schweizer Erstaufführung gewinnen können und es selbst inszeniert. Für die Verankerung in der britischen Realität lässt er alleine die Dialoge besorgt sein. (...) Roppels Inszenierung ist eine Partitur der Verstörungen. Anna-Katharina Müller als Jamies Freundin Lynsey und Elisabeth Rolli als Jamies Tochter Emma bedienen vor allem die leise Instrumentengruppe der scheuen, unsicheren, zögernden, ausweichenden Blicke; Manuel Bürgin als Jamies Bruder Matty und Henrik Zimmermann als Jamie selbst bewegen sich im Register der fast stets um Kontrolle und Coolness ringenden Stimmen, die doch hie und da ins Schrille oder auch ins Brachiale ausbrechen. Also doch Musik, wenn auch eine wenig tröstliche.
Tobias Hoffmann, NZZ

Regisseur Stephan Roppel lässt die vier zeitlich weit auseinander liegenden Szenen auf feinem gelben Sand spielen (Ausstattung: Marcella Maichle). Und er reduziert die Bewegungen und Gänge auf ein absolutes Minimum. Das ist mutig, denn die Reduktion hat den Effekt einer Lupe: Kleinste Regungen und Nuancen werden deutlich wahrnehmbar, was für die Spielenden sehr anspruchsvoll ist. Doch Manuel Bürgin, Anna-Katharina Müller (als Linsey), Elisabeth Rolli und Henrik Zimmermann (als Jamie) leisten allesamt Präzisionsarbeit und bringen so die inneren Kämpfe der Figuren, ihr Würgen und Ringen hervorragend zur Geltung.
Charlotte Staehelin, Tagesanzeiger

Henrik Zimmermann, der zum ersten mal in der Winkelwiese spielt, harmonisiert offensichtlich gut mit dem Hausherrn. Sie schälen die leisen Veränderungen vom Halden der Jugend über den entfremdeten Gefängnisinsassen bis zum schuldbewusst Flehenden schön heraus. Die zunehmend drückende Last wird jedoch bei Stephan Roppel nicht zur lähmenden Schwere, sondern ist hier vielmehr Möglichkeit, die verschiedenen Facetten letztlich ein und derselben Medaille abzuspielen. Denn im Licht betrachtet, gingen Jamie die Beschützeraktionen leicht von der Hand, nur teilten die anderen schon damals seinen Blickwinkel nicht und die vier Begegnungen bringen diese Diskrepanz zum Vorschein. Der Ansatz, den Umständen und allen anderen die Schuld zuzuweisen, ist erkennbar, doch so einfach macht es sich der Autor nicht. Die Szenen sind meist wortreich, die unausgesprochenen Sätze zwischen den Atemzügen hingegen, die in dieser Inszenierung deutlich mitschwingen können, machen die Tragweite spürbar.
Thierry Frochaux, P.S.

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Spieldaten

Samstag, 12. September 2009 – 20:30 Uhr – Premiere

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