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DER PLATZ DES ANDEREN

NZZ - DER PLATZ DES ANDEREN

«Die Dialoge stehen, dies ein Stilmittel von Lagarces Theater, auch in «Der Platz des andern» im Vordergrund. Was harmlos beginnt - «Er» (Nils Torpus) hat sich auf einen der zwei Stühle gesetzt und fordert «Sie» (Mona Petri) auf, sich zu setzen -, gerät bald zum psychologischen Seilziehen. Sie verweigert sich: «Nein! Nein! Es ist immer dieselbe Geschichte: Ich setze mich, man setzt sich, und dann kommt man nicht mehr hoch.» Sie bringt ihn in Rage, in Verzweiflung. Dann wieder täuscht er Gleichgültigkeit vor und versucht sie so «in die Falle» zu locken. Sie tänzelt um ihn herum, hält ihn zum Narren, droht ihm, bezirzt ihn. «Der Mensch ist dem Menschen ein Mensch», deklamiert sie, in Anspielung auf Hobbes. Der Wolf ist auch immer mit dabei, in dieser Inszenierung nicht zu übersehen. Von vorn nämlich sieht «Er» zwar wie ein fescher Jäger im grasgrünen Tarnkostüm (Ausstattung: Regina Lorenz) aus, doch sein buschiger Schwanz verrät das Versteckspiel. Sie indessen ist mit leichter Tracht und Pendants in feuerrotem Filz - Schürze und Käppchen - unschwer als bekannte Märchenfigur zu erkennen. »

«Die «Übung 1», in der dieses Rotkäppchen und dieser Wolf, der sich als ihren Retter verkleidet hat (oder hat der Wolf den Jäger, wie die Grossmutter, bereits gefressen?), ihre Machtspiele treiben, entpuppt sich als ewiger Loop. Sie wird ihm immer wieder vorwerfen, sie im Krankenhaus nie besucht zu haben; er wird immer wieder versuchen, sie zurückzuholen, zuletzt aber die Geduld verlieren. Mona Petri und Nils Torpus holen in ihrem virtuosen Spiel die Bandbreite der Gefühle aus Lagarces Sätzen, mit grosser Konzentration passieren sie die Metamorphosen: er vom harmlosen zum jovialen, bald listigen, bald flehenden, weinenden und schliesslich brutalen Mann, während sie sich sanft, kindlich, dann wieder verletzend und sadistisch oder lasziv gibt. Es gelingt nicht durchwegs, die Spannung in diesem emotionalen Wechselbad aufrechtzuerhalten. Manchmal mutet «Übung 1» wie eine Stilübung an; besonders in den ersten Minuten lässt die Regie dem Aufbau der Spannung wenig Raum, prescht zu rasch vor. So entwickelt das Stück seinen Facettenreichtum erst mit Verzögerung.»

Bettina Spoerii, NZZ, 5. November 2007

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