zurück

DIE ERBSENFRAU

DIE ERBSENFRAU - P.S.

ZUCHT

Im dritteil Stück von Jens Nielsen, das in der Regie von Antje Thoms auf der Bühne der Winkelwiese zur Uraufführung gelangt, ist der Grad der Verwirrung kleiner als bei den Vorgängerproduktionen. Frau Elvira von züchtet Männer und erlebt ihr blaues Wunder...

Auch wenn Viviane Mösli alias Elvira von in ihrem apothekergrünen Alchemistenkeller (Bühne Marchella Maichle) eigentlich auf der Suche nach dem Konzept ist, das der Welt zugrunde liegt, übt sie erst mal eine brauchbare Begleitung herzustellen. Auf ihrem Kompost wachsen Männer. Ganz normale, also solche mit einschlägigen Mängeln. Auf die Aufforderung: «Macht mal Mann» kommt natürlich keine befriedigende Handlung von Nicht-Detlev (Manuel Bürgin) Columbus (Dominique Müller) und Stern (Ingo Ospelt). So ein frisch gepflückter Mann gibt viel zu tun, denn dümmlich kommt bekanntlich nicht von Dame. Kaum aber sind Elvira vons Experimente mehrtägig lebensfähig, beginnen
sie schon mit Männchenallüren: Sie wollen selber, entdecken Eros und steuern instinktsicher die Befehlsgewalt an. Jens Nielsens oft verwendete Satzfragmente macht man als Publikum ganz automatisch selbst zu Ende und die seinem Text innewohnende Absurdität ergänzt Antje Thoms zum wiederholten Male mit ihrer Regiesprache (und einem Dreamteam auf der Bühne) zu einem vollständigen Ganzen. Dabei ist «Die Erhsenfrau» kein eigentliches Geschlechterstück, bei dem Sieg und Niederlage der einen oder anderen Gattung im Vordergrund steht. Vielmehr dreht Jens Nielsen den ganz normalen Wahnsinn mit einem immensen Vorrat an Fantasie ein zwei Windungen weiter hoch und bietet Antje Thoms einen Steilpass mit der Regie, die eigentliche Posse komplett zu überdrehen. Der nicht immer feine Humor im Stück pendelt zwischen Aberwitz, Intelligenzbestie und totalem Schwachsinn. Definitiv ein Höhepunkt der laufenden Saison.

Thierry Frochaux, P.S. 16. April 2009

S._ERBSENFRAU.PDF | 245 KBytes

DIE ERBSENFRAU - NZZ

MÄNNER AUS BRAUSETABLETTEN

«Die Erbsenfrau» im Theater Winkelwiese

Wenn die Frauen die Männer selbst erfinden und nach ihren Wünschen kreieren könnten, wären dann die Männer besser? Das absurde Theaterstück «Die Erbsenfrau» von Jens Nielsen, das im Theater an der Winkelwiese seine Uraufführung erlebte, könnte man diesbezüglich als satirischen Kommentar zum Geschlechterkampf lesen. Auf dieser Ebene ist das Fazit allerdings niederschmetternd, denn die Männer die Nielsens Erbsenfrau in ihrem grüngestrichenen Keller zwischen Erbsen und Milchflaschen in immer verzweifelteren Experimenten zu züchten versucht, sind derart degeneriert und gefühlsbehindert, dass sie es mit Produkten aus «Freilandhaltung» kaum aufnehmen könnten. «Ich kann einfach keine Männer», sagt denn auch Elvira von, in deren unvollständigem Namen schon der Mangel eingeschrieben ist. «Allein bin ich langweilig», meint diese einsame Elvira (Vivianne Mösli), die sich mit Hilfe von Brausetabletten einen «Begleiter» erschaffen will. «Was ich schon alles hatte / fast 213 Männer / Aus 139 Zuchten / 106 von
ihnen sehr gut / Tadellos», erzählt sie. Aber am Ende musste sie trotzdem jeden auf ihrem Kompost rezyklieren. Und die drei neuesten Männer-Kreaturen (Ingo Ospelt, Dominique Müller und Manuel Bürgin) überstehen meist nicht einmal die Testphasen. Sie benehmen sich wie Kinder oder schlecht eingestellte Maschinen, verstehen nichts oder wenig und verfügen über kein eigenes Fühlen oder Wollen, sind also für die Frau keine ernst zu nehmenden Partner.

In wechselnden Konstellationen spielen die drei Mann-Produkte in den diversen Tests unter anderem eine WG, eine Familie, einen Frauen-
Lesekreis, Arzt, Patient und Krankenschwester in einem Sanatorium oder auch die drei Könige zu Besuch bei Maria. Die Dreierformation evoziert dabei immer wieder einmal die Struktur eines Märchens, etwa wenn ein Mann nach dem anderen um die Liebe der Frau buhlt, allerdings alle vergeblich. Regisseurin Antje Thoms inszeniert die zunehmend beliebigeren und absurderen Rollenspiele, in denen sich die provokante Kernidee des Stücks leider immer mehr verliert, als einmal
heiteres dann wieder düstereres Klamauk-Spiel. Da wird getanzt, geklettert, geschlagen - und zwischendurch ein wunderbar ironisches Ständchen gesungen: «I wanna be your man ...» Doch die Erbsenfrau lässt sich von solch trügerisch lockenden Tönen nicht mehr beeindrucken, zu oft hat ihr Befehl «Los eignet euch!» im Fiasko geendet. Und so ist es eigentlich ein Grund zur Hoffnung, dass die Kreaturen am Ende doch noch aufbegehren und sich gegen ihre Schöpferin verschwören.

Bettina Spoerri, NZZ, 21. April 2009

PDF | 247 KBytes

DIE ERBSENFRAU - TAGES-ANZEIGER

DIE ERBSENFRAU

Zürich, Theater Winkerwiese. -
«Die Erbsenfrau», so heissen Märchen. Und halbwegs märchenhaft ist denn auch die Story, die der 42-jährige, in Zürich lebende Jens Nielsen in seinem neusten Stück erzählt. Es war einmal eine junge Frau mit dem Stummelnamen Elvira von (das Adelsgeschlecht oder was immer folgte ist verloren gegangen). Mit einem Brummschädel auf dem Tisch erwacht sie und stöhnt, weil «Schon wieder so ein Morgen.» Aber
weil sie im Stück auch für ein bisschen Tiefsinn zu sorgen hat, fügt sie gleich bei: «Ich möchte einmal das Konzept sehen, das dieser Welt zugrunde liegt.»

Ein philosophisches Märchen also. Ein bisschen wenigstens. Denn ein bisschen ist das Stück auch Sciencefiction. Die einsame Elvira züchtet nämlich in ihrem grün gestrichenen Küchenlabor Männer, die sie dann auf dem Kompost wachsen lässt und bei Bedarf auch entsorgt. Und dieser Bedarf ist nicht selten, denn die Männer, die per Brausetablette zum Leben kommen, taugen nichts. Alle drei tragen sie zwar feierliches Schwarz das sich schön vom weissen Rock der Erbsenfrau abhebt, aber
sie stellen sich ganz doof an. Der eine (Manuel Bürgin) stammelt wie ein Kleinkind, der zweite (Dominique Müller) ist ein Armleuchter und der dritte (Ingo Ospelt) entpuppt sich als Mörder, womit das Stück
zeitweilig auch ein bisschen ein Krimi ist. Das Bisschen ist das Problem des Stückeschreibers Nielsen. Er hat eine ziemlich blühende Fantasie, eine Rarität bei Schweizer Dramatikern, aber immer wieder stutzt er sie zum Bonsai. Selten darf sie wild wuchern, oft bleibt sie bloss geschwätzig. Und dass die männlichen Kreaturen sich am Ende gegen ihre Schöpferin auflehnen, überrascht auch nicht wirklich. Ein bisschen Metaphysik muss sein.

Regisseurin Antje Thoms jedoch inszeniert lieber ein bisschen Klamauk. Keuchend jagen sich die Männer um den Küchentisch, kopfüber stürzen sie auf den Komposthaufen, lärmig streiten sie über
Senf als Mordwaffe oder grimassieren als die Drei Könige im Krippenspiel. Fast neunzig Minuten Knatterkomik. Einzig Vivianne Mösli sorgt für Abwechslung. Ihre Erbsenfrau kann schneidend scharf sein,
aber auch weh und zerbrechlich. Machtfantasien lebt sie aus und Liebessehnsüchte, Märchenfigur ist sie und zugleich moderne Neurotikerin. Das ist ansehnlich, nicht nur ein bisschen.

Peter Müller, Tages-Anzeiger, 17. April 2009

PDF | 123 KBytes

zurück