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DIE LEUCHTEN IN DER NACHT

Spiel:Miriam Japp
Francesca Tappa
Herwig Ursin
Philippe Graber
Regie:Nils Torpus
Bühne:Renato Grob
Kostüme:Nic Tillein
Dramaturgie:Myriam Zdini
Licht und Technik:Andy Giger
Produktionsleitung:Markus Speck

Die Schweiz ist verwaist, gleich hinter Zürich beginnt die Todeszone, das Land umgibt eine Sperrmauer. Regierungssitz des an die Macht gekommenen Diktators ist das verfallene Hotel Dolder. Das Szenario: die Schweiz nach einem schweren AKW-Unfall. Was für den Grossteil der Schweizer Bevölkerung den Zusammenbruch jedweder Ordnung bedeutet, will ein Mann in seiner Wohnung zunächst nicht begreifen.
Dort verbarrikadiert lässt er sich nicht von der allgemeinen Panik beeindrucken. Denn das Gerede vom Supergau stammt doch aus einer anderen Zeit. Derweil sind die Grossbanken und multinationalen Konzerne am besten auf eine Evakuierung ihrer Firmensitze vorbereitet. Geld bleibt nicht in einem verseuchten Land. Nur der Tourismus in den Alpen bringt hin und wieder Abenteuerlustige in die Schweiz, denn dort ist die Strahlenbelastung minimal und die Natur so unberührt wie nirgends sonst mehr. Während sich die internationale Presse nur noch für den Untergang der Südseeinseln interessiert, reist eine Schweizer Journalistin nach über 20 Jahren zurück in ihr zerstörtes Land. Ihr Ziel: das Hotel Dolder.

Gerhard Meister entwirft in «Die leuchten in der Nacht» ein Szenario, welches ferner nicht liegen kann und doch wahrscheinlicher
ist, als wir gemeinhin glauben. Eine scharfsinnige Verhandlung des Möglichen.

«Je reicher ein Land, desto härter wird es von einer solchen Katastrophe geschlagen. Oder man stelle sich vor, es wäre ein Reaktor in der ehemaligen Sowjetunion explodiert. Die Diktatur hätte alle Möglichkeiten gehabt, die Menschen zu belügen, sie zum Bleiben zu zwingen und sie an der Unfallstelle zu verheizen. […] Schliesslich hätte die schiere Grösse des Landes die Katastrophe verschluckt.
Ein solcher Unfall wäre heute verschwunden aus dem öffentlichen Bewusstsein, während die Schweiz, das ehemals reichste Land der Welt, zum Mythos geworden ist für den Untergang der Zivilisation. Gösgen steht heute wie die Titanic für die Hybris der technischen Vernunft. Trotzdem werden natürlich überall weiterhin Atomkraftwerke betrieben. Man hat ja nach dem Untergang der Titanic auch nicht aufgehört, Schiffe zu bauen.»


Gerhard Meister, 1967 im Emmental geboren, studierte Geschichte und Soziologie in Bern und lebt heute als Dramatiker in Zürich. 2003 debütierte er mit seinem Stück «Mieschers Traum», welches im Rahmen des Dramenprozessors entstand und am Theater Winkelwiese uraufgeführt wurde. Hierfür und für seine weiteren Stücke «Der Entenfreund», «Fluchtburg» und «Hugos schöner Schatten» erhielt er zahlreiche Preise und Stipendien. Sein letztes Stück «Amerika», das wie auch «Die leuchten in der Nacht» für das Theater Marie entstand, wurde mit dem Literaturpreis der Stadt Bern ausgezeichnet und ist im aktuellen Band «theatertheater» des S.-Fischer-Verlags publiziert. In der Autorengruppe «Bern ist überall» steht er mit seinen Texten auch selbst auf der Bühne. Im Theater Winkelwiese waren zuletzt «Der Entenfreund» und «Fluchtburg» von ihm zu sehen.


Pressestimmen

(...) Wenn etwa Tappa die Erzählung der Touristin in einlullend sich wiederholender Melodie vorträgt oder Japp in stupender Nüchternheit das Geschehen rapportiert, sind das magische Momente der Vergegenwärtigung, wie sie am ehesten im Theater möglich sind: Zwischen den Worten entfaltet sich ein durch die gemeinsame Vorstellung entstandenes Bild. Der Unfall in einem Schweizer AKW und seine Folgen - er wird annähernd vorstellbar. (...)
Adrian Riklin, WOZ


(...) Man könnte vieles kritisieren an diesem Stück, das die Dinge nur parallel setzt, statt sie miteinander zu verbinden und das auf eine Form des – dezidiert Partei ergreifenden – politischen Theaters zurückzugreifen scheint, wie sie einst von Peter Weiss oder Heinar Kipphardt gepflegt worden sind. Aber man kommt nicht daran herum zu anerkennen, dass es damit Nils Torpus und seinem kleinen feinen Ensemble gelingt, mitten im Zentrum des mit Atomkraftwerken besonders reich gesegneten Schweizer Kantons Aargau eine Aufführung zu präsentieren, die einen gerade mit ihrer etwas monotonen, aber eindringlichen Spielweise in einer Hinsicht nachdenklich stimmt, die zu verdrängen sich einmal bitter rächen könnte.
Charles Linsmayer, www.nachtkritik.de


(...) Auch wenn die politische Folie sich im Verlauf des Stücks löst – denn es sind im Grunde vier Einzelgeschichten, die da vom Autor erzählt werden –, hält die Aufführung die Spannung. Weil überzeugend vorgetragen wird, wie Meister sich den Alltag in der Apokalypse vorstellt: Mit Pickups samt verrohten Schergen auf der Ladefläche, die sich bekriegen, mit Polizeikommandanten und Militärs, die die Schweiz unter sich aufgeteilt haben, mit Kindern, die über Atommüllfässern (das Mittelland wird von der EU als Endlager genutzt) Frösche braten. - Hypothetische Spinnerei vielleicht. Beklemmend auf jeden Fall.
Renato Beck, Basler Zeitung Kultur


«Atomkraftwerke, das sind die 80er, 70er, das ist das tiefste letzte Jahrtausend mit einem von diesen Nein-Danke-Klebern, den sich einer von diesen besseren Menschen hinten auf den Döschwo geklebt hat damals. Das hat doch mit heute nichts zu tun. Tschernobyl, das ist schon gar nicht mehr wahr, so lange ist das her.» Der Mann, der da im Bademantel und Tennissocken moniert, dass ein GAU genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich sei wie eine tödliche Blutvergiftung mittels Kronkorken, dürfte für sein Gedankengut im Publikum Sympathisanten finden. Im Gegensatz zu denen allerdings muss er erkennen, dass die atomare Vergiftung bereits stattgefunden hat.
(...)
Viel passiert in der Inszenierung von Nils Torpus und dem Theater Marie nicht. Doch die unaufgeregte und glaubwürdige Schilderung von etwas, das man nur erahnen kann, berührt. Meister hat beklemmende Worte gefunden, jenseits jeder Katastrophen-Geilheit. Nach 100 Minuten bleibt auf der Bühne ein toter Skifahrer zurück und im Saal der Wunsch nach einem Nein-Danke-Aufkleber.
Isabel Hemmel, Zueritipp


Link zum ausführlichen Pressespiegel


Mit freundlicher Unterstützung von: Aargauer Kuratorium, Stadt Aarau, Pro Helvetia, Stanley Thomas Johnson Stiftung und Migros Kulturprozent (Stand Dezember 2009)

Spieldaten

Donnerstag, 1. April 2010 – 20:30 Uhr – Premiere
Samstag, 3. April 2010 – 20:30 Uhr
Donnerstag, 8. April 2010 – 20:30 Uhr
Freitag, 9. April 2010 – 20:30 Uhr
Samstag, 10. April 2010 – 20:30 Uhr
Donnerstag, 15. April 2010 – 20:30 Uhr
Freitag, 16. April 2010 – 20:30 Uhr
Samstag, 17. April 2010 – 20:30 Uhr

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