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FACKELN

Koproduktion: GO Theaterproduktion Zürich, Theater Winkelwiese, Schlachthaus Theater Bern, Theater Tuchlaube Aarau

Spiel:Philippe Graber
Eleni Haupt
Andreas Matti
Iris Minnich
N.N.
Regie:Meret Matter
Text:Suzanne Zahnd
Bühne:Serge Nyffeler
Musik/Dramaturgie:Ted Gaier
Kostüme:Eva Karobath


Über zehn Jahre nach ihrer Trennung treffen sich die ehemaligen Bandmitglieder von Fackeln zum ersten Mal wieder. Äusserer Anlass ist ein Dokumentarfilm, der über sie gedreht werden soll. Ende der Siebziger Jahre lernten sich die Mitglieder der Punkband kennen: Ben, Kathrin und Franz. Das Trio wurde aufgestockt durch die damals erst
13jährige Sängerin Serena, die eines Nachts einfach die Bühne stürmte und von Stund an dazu gehörte. Trotz ihrer Ambitionslosigkeit brachte es Fackeln auf einige Tonträger und viel Ruhm und Ehre. Die vier lebten auch lange zusammen. Sie hatten alle mehr oder weniger kurzfristige sexuelle Beziehungen untereinander. Vor allem Serena hatte
den Hang zur Promiskuität, war aber gleichzeitig ernsthaft in Franz verliebt. Diese nur halb erwiderte Liebe entwickelte sich bei ihr zur Obsession. Franz fand Serena zu jung für eine Beziehung, hatte aber trotzdem über Jahre regelmässig Sex mit ihr. Diese Konstellation zeitigte Drogenexzesse, Gewalt und Verletzungen. Ben und Kathrin wurden ein festes Paar und sahen immer hilfloser zu, wie Franz und Serena abrutschten, wie aus Übermut und Wildheit zunehmend Krankheit und Wahn wurden. Sie übernahmen eine Art Sozialarbeiterfunktion, die sie natürlich hoffnungslos überforderte.
1987 wurde Serena in die psychiatrische Klinik interniert. Die Band Fackeln brach auseinander.

Heute arbeitet Franz als Musikproduzent und besitzt ein kleines Tonstudio. Nach dem totalen Absturz ins Drogenmilieu rappelte er sich in den 90er Jahren wieder auf. Er ist Alkoholiker, ohne damit besonders aus dem gesellschaftlichen Rahmen zu fallen. Kathrin ist mit Ben verheiratet, mit dem sie bereits seit 1986 den Sohn Juri hat. Sie liess sich an der Kunsthochschule zur Fotografin ausbilden und arbeitet heute freischaffend. Neben Hausarbeit und Kindererziehung kommt sie jedoch kaum dazu, sich beruflich zu entfalten. Ben fasste als Quereinsteiger im Theaterbetrieb als Regisseur Fuss, nachdem er sich als Musikjournalist und Poptheoretiker betätigt hatte. Er hasst das Theatermilieu ebenso, wie er sich dessen Hierarchie beugt. Serena lebt
in New York, wohin sie nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie
auswanderte. Sie brachte es als Autodidaktin zu einigem Ansehen in der Kunstszene. Ihre Videoinstallationen werden zwar international gezeigt, aber finanziell verharrt sie im unteren Mittelstand.

Alles weist darauf hin, dass sich die Wiederbegegnung zum unterhaltsamen Klassentreffen entwickeln wird. Doch Serena wird von den Teufeln der Vergangenheit geritten, und sie provoziert nach alter Manier. Erst amüsiert sie damit ihre alten Weggefährten, aber bald schon bröckelt die abgeklärte Fassade der ganzen Truppe. Als Serena mit dem 17jährigen Sohn von Kathrin und Ben eine Affäre beginnt,
gelingt es ihr schliesslich, die Coolness aller Fackeln-Mitglieder
aufzuweichen. Doch der Eklat hat keine wirklichen Veränderungen
zur Folge. Ihre gemeinsame Jugend in den späten 70er und 80er Jahren und das daraus resultierende

Wertesystem, hat für sie als Individuen derart nachhaltige Konsequenzen, dass ihre zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Kunst heute noch weitgehend bestimmt werden davon. So sind sie als zynische Rebellionsveteranen weiterhin stolz auf abgebrochene Brücken
zur Bürgerlichkeit, stehen unter ewigem Jugendzwang und müssen zwanghaft den Popgral hüten. Nachkommende Generationen haben da absolut keine Chance, auch nur mit dem kleinsten Fitzelchen ihrer eigenen Jugendkultur als eigenständig durchzukommen. Das Spiel mit der Authentizität ist den Mitgliedern von Fackeln derart in Fleisch und
Blut übergegangen, dass ein Herausfallen daraus nicht mehr «echte» Bedeutung hat als ein Verweilen darin.

In Meret Matters Inszenierung tragen die Schauspieler/innen die Konflikte ihrer Figuren, die auch ihre eigenen sein könnten, auf der Bühne vor einer Öffentlichkeit aus und betreiben Gefühlsexhibitionismus. Somit geht es in dieser Inszenierung nicht nur um den Utopieverlust und die Glückssuche einer in die Jahre gekommenen Generation, sondern auch um die aktuell grassierende Verwischung der Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem und die für die Macherinnen nicht immer einfach zu ertragende Ausbeutung
von Biografischem in der Kunst.

Suzanne Zahnd wurde 1961 geboren und lebt mit ihren zwei Kindern in Zürich. Seit 1984 wirkte sie als Sängerin und Bassistin in diversen Bands und Projekten mit und realisierte als Moderatorin, Redaktorin und Autorin regelmässig Sendungen über Popkultur für Radio DRS 3. Neben ihrer Arbeit als freie Journalistin für verschiedene Printmedien,
Radio und Fernsehen arbeitet Suzanne Zahnd seit 1997 zunehmend
als Autorin und Dramaturgin unter anderem für das Theater Klara und das Theater Club 111. 2002 entwickelte Suzanne Zahnd im Rahmen des Dramenprozessors das Theaterstück «Fackeln».

Meret Matter wurde 1965 geboren und lebt in Bern. Sie absolvierte die Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Bern und gründete 1989 zusammen mit Grazia Pergoletti das Theater Club 111 in Bern. Neben den Arbeiten im Theater Club 111 in Bern inszenierte Meret Matter vor allem am Luzerner Theater und am Schauspielhaus Zürich.

Spieldaten

Samstag, 30. Oktober 2004 – 20:30 Uhr – Premiere

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