Programm 2003-2015 » Spielpläne der Leitungszeit Stephan Roppel: siehe Rubrik Programm 2003-2015>Produktionen » GENESIS NR. 2
GENESIS NR.2GENESIS NR. 2 - NZZIM ANFANG WAR DAS THEATER
Dort lebt Antonina Welikanowa (Franziska Dick) mit dem Befund Schizophrenie, betreut vom Klinikarzt Arkadji Iljitsch (Wowo Habdank). Allerdings hält sie ihren Betreuer meistens nicht nur für einen «Gott in Weiss», sondern für Gott persönlich. Und für sich selbst hat sie in der Bibel eine andere Figur gefunden: Lots Frau. Allerdings ist sie alles andere als zur Salzsäule erstarrt, obwohl auch sie bisweilen gerne auf Sodom und Gomorrha zurückgeblickt hätte. Wie am Anfang Iwan Wyrypajew (gespielt von Christian Kerepeszki) einleitend kommentiert, ist der Text die Hauptfigur. In «Genesis Nr. 2» geht es um Worte: um den Text der Bibel, um die Benennungsmacht der Sprache, um die Kreation der Welt durch einen Sprechakt. Entsprechend situiert Benni Küng das Ringen um Wörter in einem Raum voller Papierfetzen. «Geschrieben und verworfen» ist denn auch ein formales Grundprinzip des Stücks. Eine eigentliche Handlung entspinnt sich nicht, vielmehr werden einzelne Wörter und Sätze immer wieder aufs Neue überprüft, in neue Kontexte gestellt, hinterfragt oder gar ad absurdum geführt. Um das Salz in der Suppe wird ebenso diskutiert wie über den Glauben an Gott beziehungsweise den Glauben Gottes an die Menschen. Als eine «Genesis Nr. 2» präsentiert sich dieses Stück am Ende, insofern es mittels Textskizzen, Kommentaren, Zitaten und kurzen Dialogpartien der Schöpfung der Welt, wie in der Bibel beschrieben, einen anderen Entwurf entgegenstellt: einen voller Nonsense, der sich auch über sich selbst lustig macht. Insofern gilt hier: Im Anfang war das Theater. Wyrypajew ist auch Prophet Johannes, und als dieser erlaubt er sich, die ernsten Überlegungen Antoninas über jegliche existenzielle Unsicherheit mit kurzen Einlagen aufzulockern, etwa indem er für sich selbst den roten Teppich ausrollt und Lieder über Sexualität und russische Männer oder über zwei radiohörende Tote zum Besten gibt. Die Berliner Regisseurin Katharina Gaub lässt die Figuren auch «wie Gott sie schuf» auf der Bühne herumturnen – Adam und Eva lassen grüssen –, später tritt Gott alias Arkadji Iljitsch auch einmal als «Dumpalum», eine Art Buddha mit blau beleuchteter Mitra (Kostüme: Karen Simon), auf. Damit setzt sie auf die selbstironische, eklektizistische Komponente des Stücks, verliert dabei aber den ernsten Kern aus den Augen. Da ist man dankbar, dass die Schauspieler ihre Figuren durch ihr intensives Spiel nie der Lächerlichkeit preisgeben. Bettina Sporri, NZZ, 18. Mai 2009 GENESIS NR. 2 - P.S.GOTTLOS «Genesis Nr. 2» von Iwan Wyrypajew in der Winkelwiese ist eine an sich schöne Kombination von Gottlosigkeit gepaart mit Trash Glamour, Zwischenspielen und schriller Götzennachahmung. Nur war die deutschsprachige Erstaufführung von Katarina Gaubs Inszenierung in einem um vieles grösseren Raum und musste uminszeniert werden. Dabei gingen die krassen Gegensätze fast unter. An sich ist es wirklich schade, dass die mutmasslich beabsichtigte Darstellung von absurden Gegensätzen zur gleichen Zeit in der Winkelwiese nicht mehr derart krass ist, dass sie ihre volle Wirkung entfalten können. An den Darstellerinnen liegt es nicht, selbst wenn Thom Lutz und Viviane Mösli fast nur Anwesenheitsrollen haben. Aber Thierry Frochaux, P.S., 22. Mai 2009 GENESIS NR. 2 - ZUERITIPPERSCHAFFUNG DER WELT Der russische Autor Iwan Wyrypajew hat die Schöpfungsgeschichte neu erdacht. Sein Gott ist ein Atheist und dessen Welt sinnfreies Stückwerk. Nein, was dieser Gott behauptet, kann nicht stimmen. Dass er einen nassen Lappen genommen und alles «bis hin zu den Grundbegriffen bis zum letzten Gegenstand» weggewischt und ausgelöscht habe. «Bei mir im Inneren, im Inneren meines Kopfes ist so viel, so viele verschiedene Zahlen und Bilder und Lebertran und Gehirn und Musik, so viel, dass man das nicht einfach mit einem Mal weg wischen kann», begehrt die ehemalige Mathematiklehrerin Antonina Welikanowa (Franziska Dick) Doch ist beim Dramenautor Iwan Wyrypajew Widerstand zwecklos. Sein Gott, gespielt von Wowo Habdank, ist ein gnadenloser Atheist in orientalisch anmutenden Gewändern, der Sinnzusammenhänge verbal zersetzt oder brachial zerstört. Der 35 jährige sibirische Schauspieler, Regisseur und Autor, der mit seiner eigenen Truppe sehr erfolgreich in Moskau arbeitet, denkt mit «Genesis Nr. 2» die Schöpfung noch einmal neu. Die Welt, die er erschafft ist fragmentarisch, voll Widerspruch und Fragezeichen. Das beginnt bereits bei der abenteuerlichen Entstehung des Textes. Glaubt man dem Prolog des Autors stammen grosse Teile des Stückes, das in der Regie von Katarina Gaub an den Sophiensaelen Berlin uraufgeführt wurde und jetzt nach Zürich kommt, aus der Feder der schizophrenen Moskauer Psychiatriepatientin Antonina Welikanowa. Wyrypajew mixt Textkommentare, Briefe, Regieanweisungen und Liedpassagen unter das szenische Material der Welikanowa. Doch ist die Charlotte Staehelin, Zueritipp, 14. Mai 2009 |
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