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JIMMY, TRAUMGESCHÖPF

TRAUMHAFTES ZWITTERWESEN

Ursula Haas, Basellandschaftliche Zeitung, 5.5.2012

Das traumartig aufgebaute, interdisziplinäre Theaterstück «Jimmy, Traumgeschöpf» wird im Vorstadttheater gespielt. Ein ebenso fantastisches wie intelligentes Gastspiel der Gruppe «Recycled Illusions» über die Träumerei.

Träume, sagte Sigmund Freud, seien das Tor zum Unbewussten. Träume sind Schäume, entgegnet der Volksmund hingegen trocken. Seit Freuds Zeiten hat sich die Wissenschaft aber nicht einigen können, welche Funktion, über die Bedeutung für den einzelnen Menschen hinaus, die Träume haben. Die Thesen reichen von einem funktionslosen Überbleibsel aus der Evolution bis zu Träumen als einem unersetzlichen Prozess, der Erlebtes und Gefühltes zusammenbringt. Sicher ist: Träume sind eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für viele künstlerische Werke.

Philosophische Fragen

Das interdisziplinäre Theaterstück «Jimmy, Traumgeschöpf» interessiert sich für den Vorgang des Träumens. Dabei stösst das Stück von den expliziten Schlüpfrigkeiten feuchter Träume in philosophische Bereiche vor und stellt Fragen wie: Ist die Traumwelt ein Paralleluniversum? Und existieren die erträumten und geträumten Figuren?

Aufgebaut ist das Stück wie ein Traum: Der Handlungsstrang verläuft assoziativ, die Szenenwechsel sind abrupt. So wird Jimmy, die Hauptfigur des Stücks, mitten aus einem Traum auf die Bühne geschleudert. Etwas verloren steht das Zwitterwesen da und behauptet, ein schwuler Coiffeur zu sein, erträumt von einem alten General. Hört der Traum auf, ist Jimmy heimatlos – solange niemand von ihm träumt, hängt er in der Zeit fest.

Das Ein-Frau-Stück mit Sandra Utzinger in der Hauptrolle lebt von Metamorphosen. Anders als in der Realität sind Traumfiguren keine abgeschlossenen Wesen, sondern bewegliche Konstrukte. So wird aus dem Coiffeur Jimmy eine Mutter, die sich wiederum in einen Geisterhund verwandelt. Oder auch mal alle drei im selben Körper darstellt. Es entsteht das Gefühl, auf der Bühne stehe nicht nur eine Schauspielerin, sondern dutzende.

Mit Videosequenzen visualisiert

Regisseurin Isabelle Stoffel, die bislang vor allem als Schauspielerin be- kannt war, setzt die Traum-Thematik auch auf der ästhetischen Ebene um. Videosequenzen visualisieren geschickt die verschiedenen Ebenen des Traumes, in welcher immer neue Figuren abenteuerliche Geschichten verweben. Dahinter steht immer die Frage, was Traum ist und was Realität. Es schwingt die Science-Fiction-Idee des «Gehirn im Tank» mit, bei der das Denkorgan in einer Nährlösung gehalten wird und der Körper, also was wir für die Realität halten, nur ausgedacht ist. Spätestens mit dem Film «The Matrix» ging diese Idee in die Populärkultur über.

«Sind Sie Träumer oder Geträumter»?, fragt die Schauspielerin ins Publikum. Mit solchen persönlichen Ansprachen holt sie die Zuschauer ab und auch, weil wohl jeder in irgendeiner Art träumt. Und Jimmy, die erträumte Figur und zwischenzeitlich heimatlos, existiert fortan sicher in der Erinnerung der Zuschauer.

Kritik Jimmy Basellandschaftliche Zeitung PDF | 150 KBytes

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