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KASPAR HÄUSER MEER
«O ich weiss genau, wann ich aufhören muss, wann/oder wenn es mir zuviel wird, wenn/oder wann Ich merke O! Jetzt wird es mir aber zuviel! Dann lege ich mich erst mal zuhause hin und ziehe mir die Decke über den Kopf, ziehe mir die Decke über den Kopf und sage LASS MICH IN RUHE, WELT, ICH BIN NICHT DA. Das könnte fast eine Kantate von Bach sein. Lass mich in Ruhe, Welt! O da hab ich meine Sensoren! O wenn dieser Mann noch leben würde, ich würde ihm stante pede eine Aufforderung schicken, uns Sozialarbeitern eine eigene O Kantate zu schreiben! Eine eigene O Hymne! Eine eigene O LASS MICH IN RUHE, WELT, ICH BIN NICHT DA!» Drei Sozialarbeiterinnen vom Jugendamt – hilflose Helferinnen – kommen ins Schleudern. Ihr Mitarbeiter Björn liess sie im Stich. Er ist ausgebrannt, fällt wegen eines Burn-Out-Syndroms für unbestimmte Zeit aus und hinterlässt ihnen einen regelrechten Haufen ungelöster Fälle und unerledigter Arbeit. Die Berufseinsteigerin Anika, die ebenso erfahrene wie resignierte Barbara und die arbeits- und alkoholsüchtige Silvia kämpfen gegen den betrieblichen und persönlichen Kollaps. Eine ins Groteske sich anhäufende Anzahl von «Fällen», ein Meer von Kaspar Hausers, türmt sich in Form von Notizen, Formularen Termin-eintragungen und Aktenbergen vor ihnen auf. Ausbruchphantasien und Weltfluchtgedanken lassen den Druck nur für Sekunden vergessen – schon klingelt wieder das Telephon. In einer rasanten, sprachmächtigen und sprachohnmächtigen Auflehnung gegen die Umstände und Überforderungen ihrer Arbeitswelt reden sich die drei Frauen-Figuren ihre Nöte vom Leib und versuchen sich aus dem Gefängnis ihrer alltäglichen Zwänge zu befreien. Dabei werden unerfüllbare Wünsche, vergebliche Arbeitsmethoden und nutzlose Strategien im Umgang mit den nicht zu bewältigenden Anforderungen der Arbeitswelt sichtbar. «Kaspar Häuser Meer» entstand als Auftragsarbeit für das Theater Freiburg und wurde daselbst 2008 uraufgeführt. Felicia Zeller sollte ein Stück zum Thema Kindsmissbrauch schreiben und näherte sich dem Stoff aus der Perspektive dreier überforderter Sozialarbeiterinnen – gänzlich ohne Sozialkitsch und Milieuschilderungen. Sie komponierte eine Sprachpartitur – ein Konzert der Empörungen und der Wünsche nach einer anderen, besseren Lebensrealität. Die Figuren reden meist schneller als sie denken können, stolpern über nicht vollendete Gedankengänge und erzeugen so ein sprachliches Abbild eines fahrigen, nervösen und aus dem Ruder laufenden Mikrokosmos.
«Es ist beeindruckend, wie sie Wortsalven über schwierige Schicksale wie Akten hastig aufeinanderstapeln und so die Ohnmacht versinnbildlichen. Dazwischen scheinen die Tragödien der Frauen auf. Barbara wünscht sich schliesslich eine Bach-Kantate für Sozialarbeiter, eine «O lass mich in Ruhe, Welt»-Hymne. Am Ende ist die ersehnte Ruhe da, (...) die sich durch begeisterten Applaus verflüchtigt.» Katja Baigger, NZZ, 30. Januar 2010 "Brilliante Darstellerinnen der sozialarbeiterischen Verzweiflung. (...) Was wir im Kleintheater in der Villa Winkelwiese voyeuristisch bewundern, ist die absurde Professionalität, mit der die Sozialarbeiterinnen Anika, Barbara und Silvia, sprachvirtuos interpretiert von Andrea Schmid, Franziska Dick und Vivianne Mösli, in einem Jugendamt ihren Dienst verrichten (Regie: Stephan Roppel). Dieser penetrante Jargon, heruntergeleiert bis zur Hysterie, gespickt mit Ausdrücken von der Gasse! Diese berufstypische Mimik, die innert Sekundenbruchteilen von empathischem Bedauern in pädagogische Strenge wechselt!" Adrian Riklin, WOZ, 04. Februar 2010 "Die zwischenmenschlichen Mechanismen in grossen Apparaten mit der dauernden Herausforderung, sich irgendwann, irgendwie loszustrampeln und dabei innerlich genau zu wissen wie ausweglos diese Sehnsucht nach dem endlichen Ruhemoment ist, dürfte eher universellen Charakter haben. Im konkreten Fall der Sozialhilfe kommen die grundsätzlichen Schwierigkeiten im Umgang mit den Klienten, die latente Angst vor strafrechtlicher Belangung und nicht zuletzt die mediale Beobachtung sämtlicher Schritte und genüssliche Ausschlachtung jeglicher Fehler hinzu, was letztlich noch nicht einmal mit übermenschlichen Einsatz bewältigt werden kann und den Nervenzusammenbruch gefährlich Nahe in die Realität rückt. Inhaltlich wie formal herausragend." Thierry Frochaux, P.S. 04.02.2010 Spieldaten
Donnerstag, 28. Januar 2010 – 20:30 Uhr
– Premiere – Ausverkauft |
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