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STOL - DER TISCH

Spiel:Vladimir Postnikov
Sergey Mardarh
Elena Polyakova
Oksana Rysinskaya
Stepan Beketov
Natalhya Ponomareva
Idee:Danila Korogodsky
Regie:Danila Korogodsky und Eberhard Köhler
Dramaturgie:Eberhard Köhler
Bühne:Jefferey Eisenmann
Kostüme:Danila Korogodsky
Licht:Anastasia Toshcheva
Ton:N.N.
Übertitelung:Yvonne Griesel


STOL - DER TISCH
GASTSPIEL THEATER POKOLENIY ST. PETERSBURG

Das Leben, das sich um einen Tisch herum abspielt, ist das Leben einer Familie. Im Wesentlichen ist der Tisch ein Symbol für die Einigkeit und die Trennung, ein Symbol für Verbindungen. Stol/Der Tisch ist ein Stück über einen Helden unserer Gegenwart und über seine unerwartete Reise, die ihn dazu führt, sich selbst herauszufordern und schließlich Frieden mit sich selbst zu schließen.

Ein gewöhnlicher, heutiger Mann lebt eine Lüge. Diese Lüge ist für ihn so normal, daß er selbst sie einfach nicht sieht. Aber an einem gewissen Punkt ist sie so weit angewachsen, daß die Kräfte seiner eigenen Seele gegen die endlose Vorspiegelung falscher Tatsachen und die zahllosen Kompromisse rebellieren. An einem Silvesterabend wird Ivan, dem Narren des 20. Jahrhunderts, die Chance gegeben, sein eigenes Leben vom Start an zu betrachten und neu zu bewerten, er kommt quasi zu sich selbst zu Besuch.

Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt. (Dante Alighieri. Die Hölle, Erster Gesang)

Im Unterschied zu Dante hat unser Protagonist niemanden, der ihn auf seinem Weg führt oder begleitet. Seine Familienmitglieder, die er hier wiedertrifft, und die er nun besser kennenlernt, ähneln mehr den Dämonen aus der jenseitigen Welt. Sie geben Ivan zwar die Chance, sich selbst zu verstehen und zu begreifen in welche Richtung er gehen müßte, aber sie erklären nichts. Zu Beginn denkt der Protagonist überhaupt nicht über solche Fragen nach. Er ist nicht auf der Suche und er reflektiert seine Situation auch nicht. Er hat nicht darum gebeten solche Erkenntnisse zu erlangen, wie sie ihm jetzt eröffnet werden – so wie Menschen nicht darum bitten geboren zu werden.

Ivan, der Narr ist einer der typischen Prototypen russischer Märchenhelden. Häufig trifft er während seiner Reise auf den Eingang zu einer anderen Welt. Dieser Eingang wird im Märchen repräsentiert durch die „Ibushka“ , die auf Hühnerbeinen laufende, ständig sich um sich selbst drehende Hütte der Baba Yaga, der russischen Hexe. Diese Hütte steht nun gewöhnlich zwischen Ivan und dem dunklen Wald, der die andere Welt verkörpert, wobei der Eingang dem Wald und die unzugängliche Rückseite Ivan zugewandt ist. Nachdem Ivan die klassische Märchen - Beschwörungsformel: „Kleine Hütte, kleine Hütte/dreh Dich mit der Vorderseite zu mir/und mit der Rückseite zum Wald!“ gesprochen hat, ist ihm der Zugang in die andere Welt möglich. Hier jedoch wird er sogleich von Baba Yagas Orakelspruch herausgefordert:

„Gehst Du nach rechts – verlierst Du Dein Pferd
Gehst Du nach links – verlierst Du Dein Schwert
Gehst Du geradeaus – verlierst Du Dein Leben“

Diese Zitate aus dem volkstümlichen russischen Märchen tauchen leitmotivisch immer wieder auf, in einer Geschichte, die mit einem kleinen Schwächeanfall auf dem nach Hause Weg beginnt und einen weiten Bogen spannt, über eine schmerzvolle Katharsis bis hin zu einer surrealistischen klassischen Neujahrsansprache des russischen Präsidenten, am Silvesterabend mit dem Glockengeläut des Kreml im Hintergrund. Stol zeigt ein assoziatives aber präzises Bild der Befindlichkeit in Rußland nach dem Systemwechsel. Der Leere zwischen nostalgischer Sowjet-Verklärung und dem unideologischen Karrieristendenken der „neuen Russen“.

Stol („der Tisch“), Uraufführung August 2009, ist die dritte von einer Reihe experimenteller Arbeiten des Teatr Pokoleniy (Theater der Generationen) aus St Petersburg/Rußland.
[ weitere Arbeiten: Lampochka/Glühlämpchen (2007), Prostranstvo Instinkta/Ort der Instinkte (2008), Sni v kartony karobkje/Träume in einer Pappschachtel (Dez. 2009) und PeterBURG(2009/2010). ] In Stol geht das Teatr Pokoleniy einen Schritt weiter auf seiner Suche nach einer nicht linear konstruierten Erzählweise; einer Erzählweise, die eher einer assoziativen Bilderlogik folgt als einer Chronologie von Ereignissen einer realistischen Handlung. Zudem wird versucht, neue, expressive Möglichkeiten von Schauspieler und Raum zu entdecken.Die Produktion wurde von einem internationalen Team kreiert, welches bereits einige Male in den Vereinigten Staaten, in Deutschland und am Teatr Pokoleniy/Rußland zusammengearbeitet hat.

PRESSESTIMMEN

"Die Inszenierung von Danila Korogodsky und Eberhard Köhler überzeugt durch poetische Bilder, surreale Stimmungen und durch das grossartige Ensemble. Selten sieht man auf der Bühne solche Schauspieler, die ohne Unterkühlung, ohne jegliche Distanz zur Rolle und dafür mit derart grossen Emotionen und mit Engagement ihre Rolle
verkörpern - und die dabei so spannend sind."
Magdalena Nadolska, Berner Zeitung, 10. Dez. 2010

«Als surrealen Reigen ziehen Danila Korogodsky und Eberhard Köhler den Silvesterspuk auf, in dem sich die Grosswetterlage des heutigen Russlands spiegelt: ein Kontinent der Widersprüche. Unterlegt ist das ebenso fulminante wie präzise Spiel des Schauspielerteams mit einem Soundtrack der Sehnsucht, zu dem neben französischen Chansons und Filmmusik auch die russischen Dialoge gehören (deutsche Untertitel).»
Brigitta Niederhauser, Der Bund, 10. Dez. 2010

Link zu: Pressespiegel

Spieldaten

Mittwoch, 15. Dezember 2010 – 20:30 Uhr – Premiere
Donnerstag, 16. Dezember 2010 – 20:30 Uhr
Freitag, 17. Dezember 2010 – 20:30 Uhr – Ausverkauft
Samstag, 18. Dezember 2010 – 20:30 Uhr – Ausverkauft

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