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UND DUNKEL UND HELL

NZZ

RÜCKBLICK BEI PROSECCO
WINKELWIESE: «UND DUNKEL UND HELL»
Die Ausgangslage des Stücks „Und dunkel und hell“ ähnelt vielen zeitgenössichen Dramen über Mittdreissiger, die Prosecco trinken und entdecken, dass ihr bisheriges Leben ein einziger Bluff war. Es sind Geschichten zu einer Generation, die von der Pubertät direkt in die Frühverweisung schlittert. Der Sekt schäumt denn auch im Doppel-Dialog von Ruth Schweikert und dem Jungdramatiker Simon Fröhling.
Vier Protagonisten um die vierzig halten Rückschau auf das vergangene Jahr, in dem eine Wendung in ihrer bis anhin ach so erfolgreichen Biografie geschah. Sie sind hineingeschlittert in Liebesaffären, Karrierelöcher oder plötzliche körperliche Behinderungen. Getroffen haben sich die vier im Publikum einer TV-Gala. Für Sportmoderatorin Sibylle Looser (Eleni Haupt) war diese Sendung ein Karriereschritt von kurzer Dauer: Ihr Freund Stefan (Stephan Lohse), die ambitionierte Nationalrätin Ursula Herzog Zuber (Barbara Terpoorten) und der von einer Aura des Erfolgs umwehte Tomas Rivola (Markus Merz) schauen Sibylle beim Scheitern zu. Dabei werden sie zu Schicksalsgenossen. Schuld am Misserfolg Sibylles sind Frisur und Kleider («Frau Looser in Loser-Lumpen») Am Apéro nach der Sendung entdeckt die Nationalrätin in Tomas Rivola ihren Schulschwarm - leitender Chirurg und Familienvater. Eine verhängnisvolle Liebesaffäre nimmt ihren Anfang. Von dieser ersten Station aus entspinnt sich ein Dialogspiel, dem man es nicht anmerkt, dass Schweikert und Froehling die Szenen allein geschrieben haben. Auch spürt man nicht, dass Regisseur Hannes Leo Meier vier Tage vor der Premiere das Handtuch warf; vielleicht, weil schlicht inszeniert wurde und er ein gutes Händchen bei der Wahl der Schauspieler hatte.
Schweikert Sätze sorgen dafür, dass hinter den Karrieregewändern ein gewisses Unbehagen auftaucht. Bisweilen ist die Gedankenkost, die uns serviert wird, etwas schwer. Vermutlich hätte das ursprünglich zur Aufführung gehörende Bühnenbild zur Auflockerung beigetragen. Dieses war aber zu gross für den Keller in der Villa Tobler und wurde durch ein eilig gezimmertes, unmotiviert wirkendes Holzkreuz ersetzt. Die schauspielerische Leistung schmälert es aber nicht.
NZZ, Katja Baigger, 19.06.2009

Tages-Anzeiger

THEATER
«UND DUNKEL UND HELL»: WELLEN IM ALLTAG
Zürich, Theater Winkelwiese.- Das hätte er sich vor kurzem nicht träumen lassen. Plötzlich tagelang im Zug sitzen und wahllos in der Schweiz herumzufahren. Bloss um den Anschein zu geben, er gehe einer geregelten Arbeit nach. Doch nach einer missglückten Routineoperation ist der joviale Hirnchirurg Tomas Rivola (Markus Merz) nicht nur seine Stelle, sondern kurz darauf auch Familie, Geliebte und den guten Ruf los. Sein glattes ironisches Lächeln weicht Bitterkeit und Aggression. Grund zur Freude hat hingegen Sibylle Looser. Die impulsive Sportmoderatorin (Eleni Haupt) bekommt nach einem peinlichen Blackout vor Millionenpublikum mit der Berichterstattung über eine Dopingaffäre unerwartet die Chance, sich beruflich zu rehabilitieren.
«Und dunkel und hell» ist eine Gemeinschaftsproduktion der bisher vorwiegend auf Prosa spezialisierten Autorin Ruth Schweikert und des 31-jährigen Dramatikers Simon Fröhling. Um die Stossrichtung des Dramentextes zu beschreiben, ist man versucht, Sprichwörter zu bemühen: «Ein Unglück kommt selten allein», «Des einen Freud, des andern Leid» oder «Auf den Regen folgt die Sonne». Das alles würde passen.
Fröhling und Schweikert verfolgen anhand vier Hauptfiguren - neben Rivola und Looser sind da noch die überspannt dynamische Bundesratskanditatin Herzog Zuber (Barbara Terpoorten) und der verschrobene Antiheld Stefan (Stephan Lohse) - die Wellenbewegungen im Alltagsleben. Sie sparen dabei nicht an Tief- und Schicksalsschlägen und schaffen so starke Bilder und packende Szenen. Als Ganzes wirkt der Abend jedoch etwas diffus. Die zahlreichen Konflikte und Einzelgeschichten blieben besonders gegen Schluss skizzenhaft. Regisseur Hannes Leo Meier und das Ensemble der Aarauer Formation Szenart tun ihr Bestes, sie arbeiten mit einer schlichten Ausstattung und sind erstaunlich präzis in den Emotionen. Trotz guter Leistung kommen sie dem Text jedoch nicht ganz bei. Es fragt sich allerdings, ob das szenisch überhaupt möglcih ist.
Tages-Anzeiger, 19.06.2009, Charlotte Staehelin

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