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ANTJE THOMS

GESPRÄCH ZWISCHEN ANTJE THOMS UND STEPHAN ROPPEL

Stephan Roppel: Am 21.Mai gelangt mit «Keine Aussicht
auf ein gutes Ende« der zweite Teil des Quartetts Heimat am
Theater Winkelwiese zur Uraufführung. Dies ist bereits
unsere fünfte Koproduktion mit der Gruppe TRAININGSLAGER.
Die Gruppe hat eine eigene unverwechselbare ästhetische
Handschrift. Was macht für Dich die Arbeit mit TRAININGSLAGER
unverwechselbar?

Antje Thoms: Als erstes fällt mir da sofort der Arbeitsprozess
ein, der durch die kontinuierliche Zusammenarbeit der Gruppe über jetzt mehrere Jahre aussergewöhnlich vertraut ist. Es gibt keine falsche Scheu, keine Ängstlichkeiten oder Grabenkämpfe - das macht es einfach, sich ganz auf die jeweilige Produktion, den kreativen Prozess zu konzentrieren und das gemeinsame Potential voll zu nutzen.
Zusammen entsteht in der Auseinandersetzung mit Jens’ Texten etwas, das allen Beteiligten viel bedeutet, hinter dem jeder einzelne von uns steht - nicht zu vergessen, der Spass, der nur in dieser Art von quasi geschützter Konstellation entstehen kann und der sich - glaube ich - auch deutlich auf die Bühne überträgt.

Stephan Roppel: Du arbeitest auch ausserhalb von TRAININGSLAGER immer wieder in der Schweiz, vor allem am Stadt-theater Bern, und hast auch zahlreiche Arbeitsverbindungen in Deutschland, wo Du auch lebst. Dadurch hast Du zum Thema Heimat, wie es hier verhandelt wird, einen Aussenblick. Inwiefern fliesst dieser Aussenblick in die Arbeit ein?

Antje Thoms: Wahrscheinlich mehr als mir bewusst ist. Ich habe das Gefühl, dass das Thema Heimat zumindest zur Zeit hier völlig anders besetzt ist als im deutschen Diskurs. Während es für mich eigentlich darum geht, ob es so etwas wie Heimat im 21. Jahrhundert in dieser traditionellen Form in der westlichen globalisierten Gesellschaft überhaupt noch gibt / geben kann (inklusive der wieder auflebenden Sehnsucht danach), scheint mir Heimat in der Schweiz noch ganz klar definiert zu sein - ein Reizwort, das sofortigen Wider-spruch oder gelangweiltes Abwinken produziert - als wäre dazu bereits
alles gesagt, als wäre das Thema Heimat auf immer abschliessend behandelt. Vielleicht ist das aber auch eher eine Generationen- denn eine Länderfrage.

Stephan Roppel: In der Handlung von «Keine Aussicht auf ein gutes Ende» spielt das Scheitern eine wichtige Rolle. Was hat das Scheitern für Dich für eine Bedeutung in bezug auf Bühnenfiguren, Geschichten und Deinen Blick auf die Welt?

Antje Thoms: Eigentlich ist das Scheitern die Grundlage jeder guten Bühnenfigur. Mir fällt keine einzige (auch klassische) «grosse» Figur ein, die nicht scheitert - ob an der Realität, dem politischen System oder den eigenen Ansprüchen. Wahrscheinlich ist das Scheitern oder die Angst davor eine wesentliche Grundlage unserer Existenz - ein Motor, der uns vorwärtstreibt, den wir aber zu gern ignorieren. Dabei erkennt man oft genug erst im Scheitern, wie Wesentlich etwas war oder ist.

Stephan Roppel: Was erhält die Figuren in «Keine Aussicht
auf ein gutes Ende» am Leben? Oder genauer gefragt: Woraus beziehen sie ihre Lust zu leben? Das Filmprojekt scheint ja zu scheitern? Oder entstehen womöglich in der Garage, in die sich Berger einschliesst, neue ungeahnte Kräfte?

Antje Thoms: In Bergers Fall könnte man vielleicht böse sagen, es ist Feigheit. Und Routine. Er hat nicht genug Mut sein Leben zu beenden, ja nicht mal genug Mut, neu anzufangen. Er zieht sich einfach nur zurück, nimmt quasi eine Auszeit. Und obwohl er sich in einer schweren Krise befindet - nicht nur sein Filmprojekt ist am Scheitern, auch seine ganze (bürgerliche) Existenz behagt ihm nicht mehr - sucht er neben der Anerkennung seines Genies vor allem nach
einem Sinn. In der Mitte seines Lebens zieht er Bilanz und entdeckt,
dass Vieles von dem, was ihm wichtig schien, gar nicht wichtig ist. Ob daraus ein Aufbruch oder ein Sich-Abfinden wird, ob aus der Krise tatsächlich eine Chance entsteht - das ist etwas, was ich im Moment noch nicht sagen kann, da das Stück mitten in der Entstehung ist.

Stephan Roppel: Wie ist Dein Verhältnis zur Sprache des
Autors Jens Nielsen?

Antje Thoms: Jens’ Texte treffen mich - auch nach nunmehr fünf Uraufführungen - jedes Mal in ihrer Mischung aus absurdem Humor und bitterböser Ernsthaftigkeit, sie machen mich Lachen und bringen mich zum Weinen - und das ist (sehr kurz gefasst) eigentlich das, was mich am Theater interessiert: eine spielerische Auseinander-setzung mit dem seltsamen Wesen «Mensch», das Leben soll und doch
sterben muss.

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