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SEBASTIAN KRÄHENBÜHLGESPRÄCH ZWISCHEN SEBASTIAN KRÄHENBÜHL UND STEPHAN ROPPEL Stephan Roppel: Als wir uns vor knapp einem Jahr zum ersten Mal getroffen haben, um über Deine Projektidee zu reden, hast Du mir viele historische Bilder aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert gezeigt. Welchen Stellenwert nehmen diese Bilder in Deinem Konzept ein? Sebastian Krähenbühl: Die Photographie war in jener Zeit eine neue Erfindung und steht für mich für einen Wandel, wie ihn auch die Eisenbahn, als Anschluss an die grosse, weite Welt, mit sich bringen sollte. Hoffnung auf bessere Zeiten. Heute stehen wir ein bisschen am Endpunkt dieser Entwicklung und fragen uns manchmal, ob die Vernetzung mit der grossen, weiten Welt, die in den letzten Jahren ja noch einen gewaltigen Schub erfahren hat, wirklich nur gut ist. Ausserdem zeigen die Bilder, mit denen ich damals zu Dir kam, Menschen, die mit einem grossen Stolz ihren Berufstand darstellen, ihre Stephan Roppel: Welchen Stellenwert nimmt neben der Musik Sebastian Krähenbühl: Ein alter Regisseur hat mir einmal gesagt, dass Sprache weniger ausformuliert, dafür melodiöser wird, je weiter man in die ländliche Region kommt: Man sagt weniger und singt dafür mehr. Ob sich das mit unserem urbanen Mitteilungsbedürfnis, mit der Show, vereinen lässt, weiss ich noch nicht. Aber es wird auf jeden Fall ein schweizerdeutsch-schriftdeutsch-amerikanischer Abend werden. Stephan Roppel: Wegen der geplanten Wasserfallebahn boomte Mümliswil, dieses kleine Dorf im Solothurner Jura in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts und stand nach dem Scheitern vor dem Nichts, fünfzig Familien wanderten nach Amerika aus. Interessiert dich für Euer Projekt eher die Aufbruchstimmung oder das Scheitern? Sebastian Krähenbühl: Ich glaube es ist beides, insbesondere, Stephan Roppel: Du sagst, die Grösse des Risikos und die Konsequenzen des Scheiterns hatten eine andere Dimension als heute. War die Stimmungslage damals grundsätzlich anders? Hatten die Leute mehr Mut, waren Sie radikaler? Sebastian Krähenbühl: Der wirtschaftliche Druck war natürlich viel grösser, insofern musste etwas passieren, man konnte sich nicht mit den gegebenen Umständen zufrieden geben. Zudem war vieles im Umbruch: Die Schweiz gab es noch nicht lange, eine einheitliche Währung auch nicht und sogar eine einheitliche Zeit war etwas relativ Neues. Und dann gab es all diese neuartigen Erfindungen, die das Leben veränderten. Ausserdem war die Schweiz bis 1880 ein Auswanderungsland. Tapferkeit, ein Wort, das heute kaum mehr Verwendung findet, war damals noch sehr gebräuchlich. Eben hatte man noch Kriege gegeneinander geführt und sah sich plötzlich an der Schwelle zur Moderne. Die Entwicklung vom tapferen Schläger zum kultivierten und neutralen IKRKDelegierten fasziniert mich. Stephan Roppel: Im Zusammenhang mit «Wasserfalle» hast Du ausführliche Recherchearbeit zu diesem Eisenbahnprojekt geleistet. Was hat Dich dabei besonders interessiert? Sebastian Krähenbühl: Gefallen, um es anders zu sagen, haben mir am meisten die Alltagsgeschichten in den Zeitungen, die teilweise ziemliche Revolverblätter waren und die Sprache, in der damals geschrieben wurde: Berichte über Waffenbesitz und über Kugeln abweisende Gebete, Rezepte zur Frömmigkeit, und immer wieder: seltsam schöne Beschreibungen der Witterung. Interessant fand ich auch die Methoden, mit der die Eisenbahngesellschaften sich gegenseitig bekämpft haben, die ganz offensichtlichen Mauscheleien zwischen Wirtschaft und Politik: Das macht viel Spass zu lesen, weil es sehr an heute erinnert. Ich glaube es ist, aus der Sicht der Dorfbewohner, auch so etwas wie ein Verlieren der Unschuld, was mich an den damaligen Ereignissen interessiert. Stephan Roppel: Als Form hast Du eine Westernästhetik mit Sebastian Krähenbühl: Eine explizite Westernästhetik stand am Anfang des Projektes. Ich habe in Mannheim einen Dreigroschenwestern inszeniert und als ich in die Schweiz zurückkehrte, bekam ich den Eindruck, dass Schweizerdeutsch für einen Western eine gute Sprache wäre, da sie wenig ausformuliert Stephan Roppel: Bisher kennt und schätzt man dich am Theater an der Winkelwiese als Schauspieler (Der letzte Henker, Port Authority). Was hat Dich dazu bewogen, für dieses Projekt die Seite zu wechseln und Regie zu führen? Sebastian Krähenbühl: Eigentlich die Idee für das Projekt selbst. Irgendwann hat sich ein Prozess in Gang gesetzt und mich sehr in Beschlag genommen. Es war gar nicht mehr möglich, es einfach einem anderen in die Hand zu drücken und zu fragen: «Willst Du das inszenieren?» Ausserdem gibt es schon länger ein Interesse für die andere Seite, was sich bis jetzt mehr in der Mitbegründung der Aktion Anti-Schublade im Raum 33 oder in meiner Tätigkeit für «Treibstoff-Theatertage Basel» äusserte. |
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