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STEFANIE GROB

GESPRÄCH ZWISCHEN STEFANIE GROB UND STEPHAN ROPPEL

Stephan Roppel: Du entwickelst ein Stück über das Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf. Du hast selber zwei Kinder. Sind eigene Erfahrungen der Antrieb zum Schreiben und inwiefern fliessen sie in die Auseinandersetzung mit dem Thema ein?

Stefanie Grob: Wenn alles gut geht, bin ich nächsten Frühsommer sogar berufstätige Mutter von drei Kindern. Diese Erfahrung fliesst automatisch mit ein. Es geht in unserem Stück um eine Verschiebung in den Bereichen Beruf und Familie. Heute werden, durch das Wegbrechen des Ernährermodells, in der Kleinfamilie oft knallharte Verhandlungen geführt, wie einstmal im Job. Wer kann, darf oder muss wann, wo, wieviel arbeiten? Und die Freizeit ist damit noch nicht geregelt. Da dringen marktwirtschaftliche Prinzipien in den Kleinfamilienalltag ein. Auf der andern Seite setzen viele grosse Firmen auf nichtökonomische Werte wie Zusammenhalt und emotionale Beteiligung, schaffen einen Family- und Wohlfühlgroove. Die Regisseurin, Nicole Tobler, hat über einen längeren Zeitraum hinweg Gespräche mit Leuten auf der privatwirtschaftlichen Karriereleiter geführt und Einblick in grössere Unternehmen wie beispielsweise Google erhalten. Dort tut man einiges für seine Mitarbeiter, verpasst jedem Stockwerk ein Motto, von Dschungel über Strand bis ins Hochalpine, es wird aber auch ganz klar erwartet, dass Freizeit im Betrieb verbracht wird, sogenannte Face Time. Der gute Mitarbeiter fühlt sich so wohl im Betrieb, dass er gar nicht mehr nach Hause geht. Das wird spätestens dann schwierig, wenn man sich fortgepflanzt hat. Wer sich, und seis nach 17.00 Uhr, um seine Kinder kümmern will, gilt als Daylight Finisher und Underperformer. Beim Bearbeiten der Interviews habe ich öfters gedacht, zum Glück bin ich eine Autorinnen-Ich-AG und nicht diesem Druck ausgesetzt. Und das obwohl ich mir selbst auch nicht immer die einfachste Chefin bin.

Stephan Roppel: Verbindet ihr mit dem Stück eine gesellschaftliche Utopie und falls ja, wie könnte diese aussehen?

Stefanie Grob: Die pfannenfertige Vereinbarkeitslösung von Familie und Beruf haben wir noch nicht gefunden, vielleicht ja dann auf den Proben. Nein, es geht uns vor allem darum, anhand von Einzelgeschichten, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick wirken mögen, die Parallelen aufzuzeigen. Die meisten Paare, die sich im Familien- und Berufsalltag zermürben, machen sich selbst für ihre Schwierigkeiten verantwortlich, oder schieben einander die Schuld in die Schuhe. Dabei geht es tausenden Paaren mit Kindern ähnlich, allein in der Schweiz. Also muss man die Strukturen hinterfragen. Wie kann man Eltern oder solchen, die es gerne werden wollen, das Kinderkriegen erleichtern? Da ist natürlich alles möglich von Steuererleichterungen, über längere Elternzeit, Homeoffice- möglichkeiten bis hin zu Ganztagesschulen. Von Letzterem bin ich persönlich nicht Fan, ich sehe einen Lösungsansatz eherin einer Aufwertung der Teilzeitarbeit. Es muss doch möglich sein, dass Frauen und Männer auch mit einer 40 oder 60- Prozentstelle im Beruf ernst genommen werden und Karriere machen können. Job-Sharing in der Chefetage. Oder dann sollen die Firmen, wenn sie schon auf familiär machen, einem gleich erlauben, die Kinder mitzubringen, nicht, um sie in eine Firmenkita zu stecken, eher im Sinne einer Google-Grosskommune.

Stephan Roppel: Ausgangslage sind Interviews mit Mitdreissigern, also mit Menschen Deiner Generation. Wie gehst Du vor bei der Verarbeitung und Übersetzung dieses Interviewmaterials? Wieviele Freiheiten nimmst Du Dir bei der Entwicklung eines eigenen Textes?

Stefanie Grob: Ich gehe sehr frei mit dem Textmaterial um. Verdichte, entwickle weiter, schäle sprachliche Eigenheiten heraus und verpasse den Figuren auch neuen Text. Teilweise sogar einen andern Charakter. Da alle Interviews von Nicole Tobler geführt wurden, kannte ich von Beginn an nur die Aussagen der Interviewten und war so nie von Äusserlichkeiten abgelenkt oder davon, wie eine Person sich gibt. Eine der be- fragten Businessfrauen wurde bei mir noch um einiges taffer, für viele sicher unsympathisch, während sie in Wirklichkeit angeblich nett rüberkommt. Diese Freiheit ist angenehm. Ich habe die Leute nicht kennengelernt, ich bin ihnen in keiner Weise verpflichtet, ich suche schlicht die spannendste Theaterfigur und darf aus einer Fülle von Material schöpfen.

Stephan Roppel: Kannst Du schon etwas Genaueres sagen zur Grundsituation und zum Raum, in dem sich die vier Figuren befinden?

Stefanie Grob: Der Raum hat etwas von Start-Up-Firmen in Garagen, von den Gründungsmythen von Microsoft und Apple. Er suggeriert Hobby, riecht aber nach Erfolg. Die vier Schauspieler befinden sich in einer Art Bewerbungssituation, müssen blitzschnell herausfinden, welche Eigenschaften gerade gefragt sind und wie sie sich optimal verkaufen können. Einmal streichen sie ihre mütterlichen und väterlichen Qualitäten heraus, nur um zwei Minuten später die allzeit bereiten Arbeitnehmer ohne Anhangverpflichtung zu geben. Ausserdem müssen sie sich in immer neuen Teamkonstellationen zurechtfinden. Sie springen von einem Lebensmodell ins nächste und versuchen sich gegenüber ihren Mitstreitern zu behaupten. Das darunterliegende System bleibt undurchschaubar. Nur eine seltsame Puppe taucht als Spielleiterin auf.

Stephan Roppel: Wird sich der Text im Laufe der Proben weiterentwickeln oder werdet ihr bei Probebeginn mit einer fertigen Textfassung arbeiten?

Stefanie Grob: Wir starten mit einer Textfassung. Mit fünf Schauspielern bräuchten wir viel mehr Probezeit, wenn alle ihre Figur von Grund auf finden wollten. Aber die Schauspieler haben dieselben Freiheiten wie ich bei der Textbearbeitung. Improvisieren erlaubt und erwünscht. Ausserdem werde ich möglichst oft auf den Proben sein, um Impulse aufzunehmen und Lücken zu schliessen, beispielsweise Dialoge zu liefern. Probebeginn- und Endprobenfassung werden sich sicher stark unterscheiden. «We are Family» ist ein Teamwork.

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